In Mainz soll das Gutenberg-Museum um zusätzliche Ausstellungsfläche in Form eines separaten Gebäudes erweitert werden. Die Rede ist hier vom Bibelturm, einem 23 Meter hohem Gebäude mit etwa 400 Quadratmeter Ausstellungsfläche, welchem ein Teil des Liebfrauenplatzes sowie damit auch 3 Platanen weichen sollen. Weil das Thema umstritten ist, gibt es nun am Sonntag, den 15. April dazu den ersten Bürgerentscheid in der Stadtgeschichte von Mainz.
Gegner und Befürworter des Konzepts findet man viele, aber wenn man durch die Mainzer Innenstadt fährt oder läuft, findet man vor allem eines: Plakate mit einem großem JA oder alternativ mit einem großen NEIN darauf, Argumente Pro und Contra oder gar Alternativvorschläge sucht man hingegen vergebens. In diese Nische will ich nun springen (und mir dadurch viele neue Leser ergattern!).
Ich versuche diese Liste in der kommenden Woche aktuell zu halten und die verschiedenen Argumente in den jeweiligen Kontext einzuordnen. Fühlt Euch frei, Eure Meinungen, Argumente und Ergänzungen gerne auch mit Links dazu in den Kommentaren zu lassen!
Allgemeines zum Gutenberg-Museum
„Das Gutenberg-Museum in Mainz ist eines der ältesten Druck- und Schriftmuseen der Welt. Seine Hauptattraktionen sind mehrere Ausgaben der Gutenberg-Bibel, des ältesten Buches, das mit beweglichen Lettern gedruckt wurde, sowie eine Wechselausstellung zu Typografie und Buchgestaltung. Das Museum liegt gegenüber dem Dom in der Mainzer Altstadt. Seit 2010 ist Annette Ludwig Direktorin.“
Zitat von Wikipedia
Das Museum wurde 1900 von Bürgern der Stadt Mainz gegründet, wurde zuletzt im 2000 vollständig saniert bzw. erweitert und hat heute eine Ausstellungsfläche von etwa 3000 Quadratmetern.
Pro Bibelturm
Für den Bibelturm-Entwurf sprechen sich unter Anderem die Bürgerinitiative „Mainz für Gutenberg“ und das Gutenberg-Museum selbst aus.
- Der Bibelturm kann aufgrund seiner Höhe und seiner Signalwirkung mehr Besucher in das Museum locken.
- Bisher besuchen jährlich etwa 129.000 Besucher das Museum. Inwiefern der Bibelturm diese Besucherzahl steigern wird, ist noch unklar.
- Er kann in der Sanierungsphase des bisherigen Baus als Ausweich-Ausstellfläche fungieren.
- Kritiker argumentieren, dass das Museum auch ohne Bibelturm im laufenden Betrieb saniert werden kann.
- Er könnte sich als Wahrzeichen der Stadt Mainz etablieren.
- Er könnte eine Chance darstellen, das Museum nachhaltig zu modernisieren.
- Der Turm würde an einem geschichtsträchtigen Ort erbaut werden und das Werk Gutenbergs könnte durch verschiedene symbolträchtige Elemente gewürdigt werden.
Contra Bibelturm
Gegen den Bibelturm-Entwurf spricht sich unter Anderem die Bürgerinitiative „Gutenberg-Museum“ aus.
- Die Finanzierung ist nicht vollständig geklärt.
- Bisher gesichert sind etwa 5 Millionen Euro für die erste Bauphase. Das Vorgehen entspricht auch den Verfahren ähnlicher Bauprojekte und DIN-Normen.
- Ein vergleichbarer Bau in Frankfurt (neue Städelhalle) hatte Kosten in Höhe von ca. 2000 € je Quadratmeter, für den Bibelturm sind etwa 600 € je Quadratmeter angesetzt.
- Bund und Land sollen oder können nicht eingebunden werden, da diese dann ein Mitspracherecht erhalten müssen.
- Das es keine Kostenübernahmegarantie der Stadt Mainz gibt liegt unter anderem daran, dass es aufgrund des Bürgerentscheids noch keine abgeschlossenen vertraglichen Bindungen gibt.
- Die „Strahlkraft“ des Bibelturms könnte Investoren und Spender anlocken. Die Unsicherheit über den Ausgang des Bürgerentscheids könnte diese bisher abgehalten haben.
- Mainz ist verschuldet und könnte das Geld unter Umständen besser investieren
- Die Verschuldung der Stadt Mainz liegt bei etwa 1,3 Milliarden Euro. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist eine der größten in Deutschland.
- Die Einsparung könnte die Verschuldung reduzieren. Alternativ könnte andere „Baustellen“ der Stadt Mainz mit diesem Geld saniert werden (Schulen, Schwimmbäder etc.). Direkt vergleichen lassen sich diese Mittel allerdings nicht, da ein „Großprojekt“ immer besser finanziert werden kann als verschiedene kleinere Sanierungsmaßnahmen.
- Wiederum könnten die Gelder auch direkt in das Museum investiert werden.
- Es müssen 3 Platanen dafür gefällt werden
- Die Platanen wurden ursprünglich als Platzhalter gepflanzt.
- Es müssen 150 Quadratmeter des Liebfrauenplatzes weichen
- Auf diesem Teil findet auch das samstägliche Marktfrühstück statt und wird einen anderen Ort oder Teil des Liebfrauenplatzes finden müssen.
- Der Liebfrauenplatz soll umgestaltet werden, um Bedenken der Bibelturmkritikern entgegen zu kommen.
- Der Bibelturm passt sich nicht in das Stadtbild ein.
- Befürworter argumentieren, dass es am Liebfrauenplatz ohnehin jetzt schon verschiedene Baustile vorhanden sind. Diese würden nur erweitert werden.
- Die Reinigung der Bibelturm-Fassade könnte schwierig werden und hohe laufende Kosten verursachen. Genaues lässt sich hierzu allerdings nicht sagen, da sich die konkrete Ausgestaltung der Fassade im Bauprozess noch ändern kann.
- Es könnte Mängel am Baukonzept geben.
- Bronze-Fassade würde sich innerhalb kurzer Zeit verfärben.
- Alte Bücher dürfen nur wenig Licht ausgesetzt sein. Die bisherien Visualisierungen würden der Realität nicht entsprechen. Das Beleuchtungskonzept ist allerdings noch nicht abgeschlossen.
Mögliche Alternativen zum Bibelturm
Ein NEIN zum Bibelturm beim kommenden Bürgerentscheid würde den Bau des Bibelturms verhindern. Stattdessen gibt es verschiedene Optionen, was stattdessen passieren könnte. Ein NEIN zum Bibelturm bedeutet allerdings nicht, dass eine der Alternativen auch tatsächlich umgesetzt wird. Der Bibelturm könnte beispielsweise auch (grundlegend) überarbeitet werden und dann dennoch realisiert werden.
- Erhöhung des alten Bauwerks
- Investierung des Geldes in andere öffentliche Institutionen, welche ebenfalls (und vielleicht auch dringender) einer Sanierung bedürfen
- Einsparung des Geldes, um den Mainzer Schuldenberg zu reduzieren
Update: Ergebnis des Bürgerentscheid (Hochrechnung)
Das vorläufige Ergebnis steht fest: Mit etwa 77% der Stimmen und der erfüllten Mindestbeteiligung haben die Bibelturmgegner den Bürgerentscheid für sich entschieden.